Rolle der Astroglia bei der Gedächtnisbildung


Inhaltsverzeichnis


Das Gedächtnis

Das Gedächtnis befähigt die Lebewesen dazu, Informationen, Erfahrungen und Gefühle abzuspeichern, um sie zu einem anderen Zeitpunkt wieder abrufen zu können. Es wird in verschiedene Typen unterteilt, die sich durch die Zeitspanne definieren, in der eine Information abgerufen werden kann.

Typen des Gedächtnisses

Im Ultrakurzzeitgedächtnis werden Informationen einige Millisekunden bis maximal zwei Sekunden abgespeichert. Dieser Gedächtnistyp wird auch sensorisches Gedächtnis genannt, da er der direkten und kurzen Zwischenspeicherung von sensorischen Eindrücken dient. Sensorisch ist in diesem Zusammenhang als Sinneswahrnehmung zu verstehen.

Nur ein geringer Teil von diesen Informationen wird ins Kurzzeitgedächtnis übertragen. Dieses Kurzzeitgedächtnis speichert Informationen für einige Sekunden bis einige Minuten ab. Allerdings werden diese Daten durch das Kurzzeitgedächtnis nicht stabil gespeichert. Beispielsweise funktioniert das Memorisieren einer Telefonnummer bei den meisten Menschen kurzfristig. Sobald ein ablenkender Faktor eintritt, wird diese Information überschrieben. Im Langzeitgedächtnis werden prägende Erfahrungen mit starkem emotionalem Bezug gespeichert, sowie Informationen, die sehr häufig verwendet oder wiederholt werden, wie beispielsweise die Muttersprache. Dementsprechend funktioniert Auswendiglernen, also das übertragen einer Information ins Langzeitgedächtnis, auch durch regelmäßige Wiederholungen (Cowan, 2008).

Die visuellen Informationen werden in dem sogenannten visuellen Cortex des Occipitallapens gespeichert und die auditiven Informationen in dem primären auditiven Kortex der Gyri temporales transversi des Temporallappens. Peripher davon liegt die sekundäre Hörrinde. Das Sprachzentrum speichert die dazugehörigen Informationen im Broca-Areal, welches im Gyrus frontales inferior/ventrales des Frontallappens zu finden ist (Santi und Grodzinsky, 2007).

Die Verarbeitung von Sinneseindrücken

Die Übertragung einer Information in das Langzeitgedächtnis wird von dem Hippocampus im Temporallappen maßgeblich beeinflusst. Der genaue Zusammenhang ist hier allerdings noch weitestgehend unerforscht. Sicher ist, dass der Hippocampus ein Verzeichnis über die verschiedenen Erinnerungen anlegt, und diese miteinander verknüpft. Sobald ein Teil einer Erinnerung aktiviert wird, wird die gesamte Erinnerung mit allen Sinnesanteilen durch die Verknüpfungen des Hippocampus hervorgerufen. Bei Überschneidungen werden bereits gespeicherte Informationen aktiviert und direkt mit den neu gewonnenen Informationen verknüpft. Beispielsweise bei dem Zeichnen einer unbekannten Strukturformel werden bereits bekannte Formeln hervorgerufen, sobald zum Beispiel der Name einen Überschneidungspunkt liefert. Durch jede Wiederholung wird die Verknüpfung verstärkt, solange, bis der Zusammenhang auch abrufbar ist, ohne, dass der Hippocampus die Information aktivieren muss. Diese Verknüpfungen und Bahnen werden besonders intensiviert und ausgebaut, wenn keine neuen Reize auf das Gehirn einwirken. Deshalb sind Pausen und Schlaf besonders wichtig in Bezug auf die Gedächtnisbildung (Lech und Suchan, 2013).

Emotionen verstärken die oben beschriebene Verknüpfung, sodass der Prozess des Erinnerns leichter fällt und weniger bis gar keine Wiederholungen nötig sind. Evolutionär betrachtet ist dies eine überlebenswichtige Schutzmaßnahme. Gefahren, die mit starken Angstgefühlen einhergehen, müssen nicht wiederholt werden, damit abgespeichert wird, dass die Situation gefährlich ist. Dementsprechend schützen die Emotionen das Lebewesen im Zweifelsfall vor dem Tod.

Die Amygdala ist für die Verarbeitung der Emotionen zuständig und ist über viele Nervenfasern mit dem Hippocampus verknüpft, um die bereits erläuterte Verbindung zu schaffen (Yang und Wang, 2017).


Astroglia

Astroglia oder auch Astrozyten sind spezielle Zellen, die der übergeordneten Gruppe der Gliazellen zuzuordnen sind.

Gliazellen allgemein

Gliazellen sind Zellen des Zentralen und Peripheren Nervensystems und füllen den Zwischenraum zwischen Pericaryen, Dendriten und Axonen aus. Somit ist ihre primäre Funktion die Organisation sowie das Stützen des Gewebes. Allerdings sind sie nicht elektrisch erregbar, obwohl sie Teil des Zentralen Nervensystems sind. Im Zentralen Nervensystem lassen sich die Gliazellen in drei verschiedene Typen aufteilen. Oligodendrozyten unterlagern Nervenfortsätze und bilden die Myelinscheiden, Mikroglia haben eine immunologische und phagozytotische Funktion. Im Folgenden werden Astroglia näher thematisiert (Jessen, 2021).

Typen von Astroglia und deren Funktionen

Astroglia sind Zellen, deren Namensgebung aus dem Griechischen stammt. Ihr Name zielt auf ihren sternförmigen Körper ab, auch wenn nicht jeder Astrozyt wirklich sternförmig ist (Astron= Stern). Sie machen bis zu 80% der gesamten Gliazellen des Gehirns aus, weshalb sie auch Makroglia genannt werden. Des Weiteren ist der Aufbau der Zellen abhängig von ihrer Umgebung. Man bezeichnet sie aufgrund ihres Äußeren Erscheinens und ihrer vielfältigen Funktion auch als heterogene Population, da sie sich ihrer Lokalisierung anpassen. Beispielsweise haben sie die Fähigkeit anzuschwellen, wenn die neurale Aktivität eines Bereiches steigt. Astroglia werden in verschiedene Typen unterteilt. Der Fibrilläre Astrozyt (Astrocytus fibrosus) wird auch Langstrahler genannt, weil seine Zellfortsätze (Filopodien) lang, dünn und wenig verzweigt sind. Filopodien bilden sich unter anderem verstärkt in Regionen aus, welche stark beansprucht werden. Die Zellfortsätze des fibrillären Typs treten in Kontakt mit den Ranvier’schen Schnürringen der Axone der Nervenzellen und sind in der weißen Substanz (Substantia alba) zu finden. Der Plasmatofibrilläre Typ (Astrocytus plasmatofibrosus) ist an der Grenzschicht zwischen der grauen (Substantia grisea) und weißen Substanz zu finden. Der Protoplasmatische Astrozyt (Astrocytus protoplasmaticus) wird auch Kurzstrahler genannt, weil er – im Gegensatz zu dem Fibrillären Typ – sehr dünne und kurze Filopodien hat, die deutlich verzweigter sind. Die primären Ausläufer verzweigen sich in sekundäre und tertiäre Ausläufer. Sie dienen dem Stoffaustausch zwischen den Nervenzellen und den Kapillaren, da sie zwei wichtige Grenzschichten bilden. Die Membrana limitans gliae supervicialis grenzt histologisch betrachtet mit ihren terminalen Enden die Oberfläche des Gehirns ab, wohingegen die Membrana limitans gliae perivascularis die intrazerebralen Gefäßräume gegenüber dem Gehirn abgrenzt. Dementsprechend bilden sie die Blut-Hirn-Schranke durch die Makromoleküle ins Gehirn gelangen, wodurch der Stoffwechsel gesichert ist. Genauer betrachtet bilden sie tight-junctions zu den Blutgefäßen, wodurch Glucose absorbiert werden kann. Glucose wird daraufhin zu Laktat verstoffwechselt, welches die Astrozyten an die Neuronen weitergeben. Dementsprechend versorgen sie die Neuronen mit Energie und können die Energie auch in Form von Glykogen speichern. Des Weiteren können sie den lokalen Blutfluss regulieren, da sie Einfluss auf die Blutgefäßweite haben, indem sie vasoaktive Stoffe ausschütten, wie Acetylcholin, Adrenalin oder Histidin. Braucht ein Neuron beispielsweise mehr Nährstoffe, so schütten die Astrozyten vasokonstriktive Stoffe aus, die durch die Verengung der Gefäße den Blutfluss erhöhen. Infolgedessen wird der Nährstofftransport erhöht.

Es gibt auch spezielle Typen, wie die Müller-Zelle. Das sind Astroglia, die ausschließlich in der Retina zu finden sind. Sie sind in der Retina gespannt und sammeln das Licht und die Informationen und leiten diese in das Augeninnere weiter. Zudem haben sie auch in der Retina eine bedeutende Stützfunktion. Die Bergmann-Gliazelle ist im Kleinhirn zu finden, genauer im Stratum purkinjense. Sie sind in adulten Lebewesen an der oben erwähnten Membrana limitans gliae superficialis beteiligt und bilden ein Grundgerüst für die afferenten und efferenten Neuronen während der Entwicklung des Kleinhirns (Mettmann und Verkhratsky, 2011).

Astroglia haben dementsprechend vielfältige Funktionen im Zentralen Nervensystem und tragen auch auf unterschiedliche Art und Weise zur Gedächtnisbildung bei.


Kommunikation zwischen Nervenzelle und Astrozyt

Glutamat als Neurotransmitter

Die Weiterleitung von Informationen wird im Allgemeinen unterstützt durch Neutrotransmitter. Der am häufigsten verwendete Neurotransmitter im Gehirn ist Glutamat. Glutamat wird in Vesikeln am synaptischen Endknöpfchen eines Neurons gespeichert und durch Exocytose in den synaptischen Spalt ausgeschüttet, sobald ein Aktionspotential dieses Endknöpfchen erreicht. Dieses Glutamat bindet sich über zwei verschiedene Rezeptoren an die postsynaptische Membran, woraufhin dort wieder ein Aktionspotential ausgelöst wird. Dies geschieht, indem durch den Glutamat-Rezeptor Typ AMPA die Na+/K+ Pumpen geöffnet werden, sobald Glutamat und Rezeptor eine Verbindung eingehen. Dadurch werden zwei Kaliumionen in den synaptischen Spalt gepumpt, während drei Natriumionen in die postsynaptische Zelle gepumpt werden. Somit ändert sich die Ladung an der postsynaptischen Membran. Wenn dieses Potential das Schwellenpotential erreicht, wird ein weiteres Aktionspotential ausgelöst. Erst wenn die Depolarisation der Zelle bereits eingetreten ist und der Reiz stark und langanhaltend ist, öffnen die NMDA-Rezeptoren ihre Calciumkanäle durch weitere Bindungen mit Glutamat. Diese Rezeptoren werden vor der Depolarisation von Magnesiumionen blockiert, welche aufgrund der Depolarisation dissoziieren. Durch diesen Mechanismus wird bei einer bereits bestehenden Depolarisation der Effekt verstärkt. Durch mehrfaches Wiederholen wird mehr und schneller Glutamat ausgeschüttet, wodurch der Informationsweg sich festigt und die Erinnerung schneller und leichter fällt (Meldum, 2000).

Glutamat als Gift

Allerdings gilt auch bei Glutamat das altbekannte Sprichwort: „Die Dosis macht das Gift“. Wenn also die Glutamat Konzentration höher ist als die benötigte Menge, um alle Rezeptoren zu besetzen, wird Glutamat sich im extrazellulären Raum ansammeln. Dies hat starke Auswirkungen auf die Neuronen, da ein freigewordener Rezeptor sofort wieder eine Verbindung mit einem weiteren Glutamatmolekül eingeht und dieses zu einer permanenten Erregung führt. Diese Überreaktion lässt die Zelle absterben. Der Prozess, der die Neuronen vor diesem negativen Effekt schützt, wird durch Astrozyten gesteuert und wird im Folgenden genauer erläutert (Hugon, Vallat und Dumas, 1996; Djuricić, 2002).

Astrozyten als Schutz

Astrozyten nehmen Glutamat über spezifische Glutamat Transporter auf, um die Konzentration im synaptischen Spalt im physiologischen Bereich zu halten. Dieser Transporter befördert Glutamat, Natrium und Wasserstoff in das Innere der Astrozyten und im Austausch Kalium in den synaptischen Spalt. In den Astrozyten selbst gibt es eine Reaktion, die Glutamat zu Glutamin umwandelt über das Enzym Glutamat-Synthase. Das Glutamin sowie Natrium werden wieder in den synaptischen Spalt abgegeben, im Austausch zu Natrium und Wasserstoff. Das Glutamin ist kein Giftstoff für die Nervenzellen und kann an der präsynaptischen Endigung durch den „sodium coupled neutralamino acid transporter“ oder kurz: SNAT-Transporter gemeinsam mit Natrium aufgenommen werden. Innerhalb der Nervenzelle wird über das Enzym Glutaminase Glutamin wieder zu Glutamat umgewandelt, welches in Vesikeln gespeichert wird und somit für die nächste Reizweiterleitung bereitsteht. Diesen Prozess nennt man auch die „Neurologische Homöostase“, durch die die Nervenzellen vor einer zu hohen Glutamat Konzentration im synaptischen Spalt geschützt werden. Zusätzlich wird Glutamin für die Neuronen bereitgestellt und demensprechend sichern die Astrozyten zusätzlich die Neurotransmitterkonzentration innerhalb der Nervenzelle. Dies ist maßgeblich für die Signalübertragung, und somit auch für die Speicherung von Informationen im Langzeitgedächtnis. Astrozyten haben darüber hinaus auch die Fähigkeit, Glutamin gezielt auszuschütten, um eine Signalübertragung zu verstärken oder anzuregen. Somit haben sie nicht nur eine unterstützende Funktion, sondern beteiligen sich auch aktiv an dem Gedächtnisbildungsprozess. Hypothetisch beeinflussen die Astrozyten somit auch die Schnelligkeit des Lernprozesses. Wenn man Informationen durch Wiederholungen abruft, können Astrozyten gezielt vermehrt Glutamin ausschütten, welches dann als Glutamat für die Reizweiterleitung zur Verfügung steht. Dementsprechend kann der Prozess des Erinnerns schneller ablaufen, je höher die Konzentration an ausgeschüttetem Glutamat ist, da die Schnelligkeit der Informationsübertragung steigt.

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Abbildung 1: Neurologische Homöostase


Energieversorgung der Nervenzellen

Das Gehirn macht nur etwa 2-3% des Körpergewichtes aus, beansprucht aber bis zu 20% der Gesamtenergie für sich. Funktionen, die nicht aktiv im Bewusstsein stattfinden, benötigen besonders viel Energie, zum Beispiel das Verarbeiten und die Verknüpfung von neuen Informationen. Auf zellulärer Ebene sind die Natrium-Kalium-ATPase und die Calcium- ATPase Enzyme, die einen künstlichen Protonengradienten herstellen und einen Großteil der Energie benötigen. Dementsprechend essenziell ist die Versorgung der Neuronen mit Energie. Diese wird durch die Astrozyten sichergestellt und im Folgenden erläutert.

Die Astrozyten bedecken die Blutgefäße im Gehirn bis zu 99% und bilden somit die bereits erwähnte Bluthirnschranke. Durch die insulinunabhängigen Glucose 1 Transporter (GLUT 1) wird Glucose permanent in die Astrozyten aufgenommen. Glucose kann durch die Glykolyse zu Pyruvat abgebaut werden, welches über die Laktat-Dehydrogenase zu Laktat wird. Der wichtigste Schritt in diesem Prozess ist die enzymatische Reaktion von Phosphoenolpyruvat zu Pyruvat über die Pyruvatkinase, da hier ein ATP Molekül phosphoryliert wird. Dieses gewonnene ATP versorgt den Astrozyten selbst mit Energie. Das gewonnene Laktat wird über den Astrozyt-Neuronen-Shuttle in die Neuronen transportiert. Dieser Prozess ist notwendig, da Neuronen selbst kein Laktat synthetisieren, sondern es nur abbauen können. Das sich im Neuron befindende Laktat wird zu Kohlenstoffdioxid abgebaut, indem negativ geladenes Laktat zu negativ geladenem Pyruvat umgewandelt wird über das Enzym Laktat- Dehydrogenase 1. Pyruvat wird daraufhin über den Citrat Zyklus (TCA) zu Kohlenstoffdioxid. Bei dieser enzymatischen Reaktion wird ATP produziert. Dieses ATP dient dem Neuron als energiereiches Molekül.

Wenn die Neuronen weniger Energie benötigen, als Glucose für die Astrozyten zur Verfügung steht, wird Glucose über die Glykogenese zu Glykogen aufgebaut. Dieses kann in den Astrozyten gespeichert und zur Verfügung gestellt werden, wenn der Blutzuckerspiegel zu niedrig ist. Dies geschieht, indem das gespeicherte Glykogen über die Glykogenolyse zu Glucose verarbeitet wird und Glucose über die Glykolyse zu Laktat abgebaut wird. Dementsprechend wichtig sind die Astrozyten für die Funktionsfähigkeit der Nervenzellen, da sie auch die kurzfristige Aufrechterhaltung der Energiezufuhr sicherstellen, wenn der Glucose Anteil im Blut es nicht kann.

Allerdings können die Neuronen auch sehr bedingt Glucose über den GLUT 3 Transporter aufnehmen. Somit können sie Energie über die Glykolyse synthetisieren, oder NADPH+H+ über den Pentose-Phosphat-Weg produzieren, da die Nervenzellen die Blutgefäße zu 1% abdecken. Astrozyten selbst benötigen nur sehr wenig Energie, deshalb können sie sich nicht nur selbst versorgen, sondern die zusätzlich produzierte Energie auch an die Neuronen weitergeben. Diese haben dahingegen einen sehr hohen Energieverbrauch und können diesen selbst nur sehr eingeschränkt decken (Barros und Dieter, 2010; Brooks, 2009).

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Abbildung 2: Energieversorgung von Neuronen


Kalium und Astrozyten

Kaliumionen haben einen großen Einfluss auf das Nervensystem, da sie eine zentrale Rolle bei der Bildung der Ruhe- und Aktionspotenziale einnehmen. Der elektrische Informationsfluss wird mit Hilfe von Aktionspotentialen von Zelle zu Zelle übertragen. Bei einem Aktionspotential strömen die positiv geladenen Ionen durch die Kaliumkanäle aus der Zelle raus. Diese ausströmenden Ionen werden von den Astrozyten durch spezifische Transportmechanismen in der Zellmembran wie zum Beispiel die Na+/K+-Pumpe aufgenommen, die den Transport von Kaliumionen in die Zelle ermöglichen. Durch den Kaliumeinstrom verändert sich der pH-Wert der Astrozyten, da Kalium und Protonen aufgrund ihrer gleichen Ladung durch die Zellmembran ausgetauscht werden können. Durch diese pH-Wert-Änderung hat Kalium einen maßgeblichen Einfluss auf die Strömungen von Glutamat-, Glutamin- und Ammoniumionen. Besonders für Ammonium hat die Membran der Astrozyten eine hohe Permeabilität, wodurch eine hohe intrazelluläre Konzentration in den Astrozyten bewirkt wird. Diese Permeabilität sinkt, sobald elektrische Reize an den Neuronen verarbeitet werden, wodurch die intrazelluläre Konzentration von Ammonium auch sinkt. Dieser Prozess führt zu einer Alkalose des Zytosols des Astrozyten. Die erhöhte und durch das Aktionspotential entstandene intrazelluläre Kaliumkonzentration führt zu einem Kalium-Ammonium-Gegenstrom, wodurch Ammonium wieder in die Zelle gelangt. Dadurch, dass die extrazelluläre Kaliumkonzentration durch diesen Prozess steigt, steigt auch die Glutamataufnahme in den Astrozyten. Dadurch entwickelt sich eine weitere Alkalose der Zelle. Diese kann durch das „System N“ reguliert werden, indem Glutamin im Austausch mit Protonen aus der Zelle befördert wird. Dieser Prozess wird maßgeblich durch Kalium angeregt. Das Ziel des Mechanismus ist es, das Glutamin in den extrazellulären Bereich zu transportieren, damit das Glutamin (wie bereits in Kommunikation zwischen Nervenzelle und Astrozyt erklärt) von den Neuronen aufgenommen werden kann und zu Glutamat umgewandelt werden kann. Das Kalium kann den entstandenen transmembranen Protonengradienten wieder beheben und schafft somit die Voraussetzung für einen schnellen und effizienten Umbau von Ammonium und Glutamat zu Glutamin durch die Glutamin-Synthetase, wodurch ein schnellerer Glutamin- Ausstrom möglich ist. Die Astrozyten bilden ein Syncitium , da sie durch Gap-Junctions sehr eng untereinander verbunden sind. Über diese Gap-Junctions verbreitet sich die intrazelluläre Kaliumkonzentration. Dies verhindert einen weiteren lokalen Anstieg der Konzentration, was wiederum die Aktivität der neuralen Natrium-Kalium-ATPase anregt. Durch diese Funktion entsteht eine extrazelluläre Hypertonie und eine Zellschrumpfung wird angeregt. Die Zellschrumpfung wird allerdings aufgehoben durch den Natrium-Kalium-Chlorid-Cotransporter (kurz: NKCC1).

Die Lernfähigkeit des Gedächtnisses wird negativ beeinflusst, wenn die Kaliumkonzentration so weit sinkt, dass sie das Membranpotential der Astrozyten oder die Natrium-Kalium-Pumpe nicht mehr beeinflusst. Im Gegensatz dazu kann das Lernen verbessert werden durch die NKCC1 abhängige Wasser und Ionenaufnahme, während der Refraktär-Phase, da diese die neuronale Inaktivität wieder aufhebt, indem die extrazelluläre Hypertonie behoben wird (Hertz und Chen, 2016; Brooks, 2000).


Multiple Sklerose und Alzheimer

Hirnerkrankungen beruhen häufig auf Kommunikationsproblemen zwischen Neuronen und Gliazellen. Die Astrozyten unterstützen die Neuronen in vielen bereits erläuterten Hinsichten, allerdings haben sie auch einen negativen Einfluss auf die Neuronen. Während einer Entzündung beeinträchtigen die Astrozyten die Neuronen, indem sie das Zytokyn TNF (=Tumornekrosefaktor), welches als Botenstoff einer Entzündung gilt, aufspüren und die neuralen Funktionen dieses Bereiches verändern können. Dieser Zusammenhang wurde anhand eines Maus-Modells von Multipler Sklerose (MS) nachgewiesen, von Andrea Volterra, Tobias Stuter und Adriano Fontana. Bei Multipler Sklerose ist die TNF Konzentration erhöht, was eine geringere Gedächtnisleitung zur Folge hat. Diese Beeinträchtigung tritt wie bei MS-Patienten auch schon im Modell in asymptomatischen Phasen auf, wenn noch keine MS-typischen Symptome auftreten. Laut den Forschern bestehe Hoffnung, spezifische Rezeptoren durch Medikamente blockieren zu können, um Beeinträchtigungen von MS oder anderen entzündlichen neurologischen Krankheiten lindern zu können (Pegotti, Baron, Laman und Eisel, 2018).

Der Zusammenhang zwischen Alzheimer und Astrozyten wurde ebenfalls bereits nachgewiesen. Die P2Y1R Rezeptoren auf der Astrozytenzellmembran versetzen den Astrozyten durch zu starke Aktivierung in Hyperaktivität. Dadurch steigt der intrazelluläre Calciumgehalt der Astrozyten. Diese Konzentration verteilt sich wiederrum gleichmäßig im Netzwerk durch die Gap-Junctions. Der dauerhaft erhöhte Calciumgehalt fördert die Entwicklung der ß-Amyloid-Plaques. Diese sind Eiweißablagerungen, welche nicht mehr vom Körper abgebaut werden können und über Jahre die Nervenverbindungen und Neuronen absterben lassen. Zusätzlich bilden sich Tau-Fibrillen, die sich durch eine chemische Veränderung des Tau-Proteins entwickeln, welche ursprünglich Mikrotubuli bildeten, die den Transport von Nährstoffen unterstützten. Die Regionen des Gedächtnisses, des Denkens, der Sprache und des Orientierens sind am häufigsten betroffen. Die Krankheit lässt sich in begrenztem Rahmen behandeln, heilbar ist sie allerdings nicht (Rodriquez, Olabarria, Chvatal und Verkhratsky, 2009).


Literaturverzeichnis

Fachliteratur

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Neurologische Homöostase; erstellt von Franka Lenzing; inspiriert durch: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/nf-2016-1102/html

Abbildung 2: Energieversorgung von Neuronen; erstellt von Franka Lenzing; inspiriert durch: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-56468-4_8