Hirudotherapie in der Veterinärmedizin

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Therapie mit Blutegeln geht zurück bis ins antike Ägypten und den Beginn der Zivilisation (Whitaker IS, 2004), wo es die ersten verzeichneten Versuche mit medizinischen Blutegeln gab. Die erste dokumentierte Nutzung schrieb Nikandros von Kolophon (200-120 v. Chr.) in seinem Gedicht „Alexipharmaca" nieder (Whitaker IS, 2004).Der erste Anstieg der Blutegelnutzung, als viele über die Nutzung und Heilungseffekte schrieben, fand statt, nachdem Galen (129-199 n. Chr.) die Ansicht verbreitete, dass die Qualität der Blutfülle des Körpers von größerer Bedeutung wäre als die eigentliche Menge. Viele Egel kamen zum Einsatz; unter anderem wurden sie bei Fieber und Entzündungen lokal angesetzt und Plinius schrieb über die positiven Effekte der Blutegel bei der Rheumabehandlung. Während des sogenannten „Blutegel-Boom“ wurden die Blutegel auch in der römischen Militärwundversorgung genutzt.Im Mittelalter verwendete die Ärzteschule von Salerno Blutegel zur Entfernung von überflüssigen Körpersäften, womit sich die Blutegeltherapie von Italien über ganz Europa ausbreitete und Aderlass sowie Schröpfung immer mehr ersetzte, um Schwächung im Falle von Aderlass zu vermeiden und damit man Stellen des Körpers behandeln konnte, die mit Schröpfen nicht zu erreichen waren. Bis ins 17 Jh. war die Säftelehre (Humoralpathologie), welche die älteste europäische und arabische Medizin darstellt, angesehen und es wurde nach ihr behandelt. Die Humoralpathologie besagte, dass Krankheitserreger in flüssigen Substanzen des Körper vorhanden wären und die Krankheiten infolge von einem Ungleichgewicht zustande kämen. Das "schlechte" Blut sollte mithilfe des Einsatzes von Blutegeln durch reines, neues Blut ersetzt werden.Immer mehr Blutegel wurden für die verschiedensten Krankheiten wie beispielsweise Asthma verwendet, nachdem sich die neue Ansicht, dass Blut verderblich wäre, etablierte. Einen irrelevanten Rückgang erlebte die Hirudotherapie am Ende des 17. Jh., wo sie mit einer neuen Ansicht konkurrierte, die besagte, dass jede Blutentnahme schädlich wäre. Die Therapie setzte sich dennoch im 18. und 19. Jh. fort und wurde weiterhin, besonders in Frankreich, für jegliche Krankheit eingesetzt, sodass das Ansetzen der Blutegel ein eigenständiger Beruf geworden war und England durch den hohen Verbrauch der Egel (mehrere mio. pro Jahr) Tiere importieren musste. Diese Zeit ist unter dem Namen Vampirismus bekannt.Bald kam es durch den hohen Verbrauch und die Zerstörung des Lebensraumes durch die Landwirtschaft zum Mangel an Egeln. Die Preise stiegen und die ersten Versuche Blutegel mehrmals zu verwenden sowie sie zu züchten wurden durchgeführt. 1884 fand J.B. Haycraft (1857-1922, Professor am King’s College in Birmingham) heraus, dass die Speichelsubstanzen der Egel blutgerinnungshemmend wirkten. Die Tatsache, dass die Blutegel bis zum Ende des 19. Jh. fast vollständig ausgerottet und Bakterien als Krankheitserreger erforscht wurden, brachte die Therapie in Verbindung mit Laientherapie und Quacksalberei (Whitaker IS, 2004) und führte daraufhin nahezu zum Stillstand der Anwendungen.Am Anfang des 20. Jh. lebte die Therapie durch Anfänge der Naturheilpraktik wieder auf, 1922 wurden sie daraufhin nach vielen OPs gegen Thrombose-Bildung erfolgreich eingesetzt. 1950 isolierte Fritz Marquardt ein Protein, das sogenannte Hirudin von Hirudo medicinalis (siehe physiologische Wirkungsweise) und 1981 gründete Dr. Roy Sawjer die erste Blutegelfarm (Biopharm), welche heute auf der gesamten Welt Blutegel vertreibt.

Allgemeines

Medizinische Blutegel (engl. „leech“ von „laece“ = Arzt) bekamen ihren Namen Hirudo medicinalis von Linnaeus in 1758 (Whitaker IS, 2004). Blutegel sind segmentierte, hermaphroditische, blutsaugende Ringelwürmer, welche permanente oder temporale externe Parasiten für eine Reihe von Tieren wie Fische, Amphibien, Wasservögel und Säugetiere, einschließlich Menschen darstellen (Sobczak und Kantyka, 2014). Blutegel besitzen drei Kiefer, die für die Medizin von großer Bedeutung sind. Jeder der drei Kiefer besitzt 100 Zähne, was eine Summe von 300 Zähnen pro Tier ergibt (Swaid Abdullah, 2012), sowie kleine Poren und Drüsen für die Sekretion des Speichels und dessen Inhaltsstoffe (Sobczak und Kantyka, 2014) (siehe "Physiologische Wirkungweise"). Diese Poren und Drüsen setzten sich zu je einem Sekretionsapparat zusammen, der an jedem Zahn seitlich zu finden ist. Das aufgenommene Blut wird in 10 Taschen in dem Kropf der Blutegel gelagert, wo es mit Inhaltsstoffen des Speichels vermischt wird.

Physiologische Wirkungsweise

Mit dem schmerzlosen Blutegelbiss kommt es durch den Speichel der Tiere zur primär wichtigen Übertragung von Antikoagulantien und vasodilatativ wirkenden Substanzen und zur sekundär wichtigen Blutung. Die Speicheldrüsen enthalten mehr als 100 bioaktive chemische Substanzen, die Ausscheidung der Sekrete hat eine schmerzlindernde und bakteriostatische Wirkung. Durch diese können Mikrozirkulationsstörungen entfernt, der Blutdruck gesenkt und die Arbeit des Immunsystems verbessert werden (Groß und Roth, 2012). Folgende Komponenten befinden sich im Speichel (Michalsen und Roth, 2012):

Substanz

Wirkung

Hirudin

Blutverdünner; hemmt die Blutgerinnung durch Bindung an Thrombin

Hyaluronidase

„spreading factor“; ermöglicht den Durchtritt und die Diffusion von pharmakologisch aktiven Substanzen in das Gewebe (meist Gelenke)

Calin

durch Bindung an den „Van Willebrand“ Faktor Verhinderung der Blutgerinnung, hemmt Kollagen vermittlete Thrombozytenaggregation

Destabilase

Auflösung von Fibrin; thrombolytisch

Hirustatin

hemmt Kallikrein, Trypsin, Chymotrypsin und das neutrophile Cathepsin G

Chloromycetin

antibiotisch

LDTI (leech-derived tryptase inhibitor)

Tryptasehemmer; hemmt die proteolytischen Enyme der Mastzellen

Eglins

antientzündlich;hemmt Wirkung von Alpha-Chymotrypsin, Chymase, Subtilisin, Elastase und neutrophile Cathepsin G

Faktor Xa Hemmer

(siehe Text)

Histamin ähnliche Substanzen

Gefäßerweiterung; steigert Blutfluss an der Bissstelle

Carboxypeptidase A Hemmer

Steigerung der Geschwindigkeit des Bluteinflusses zur Bissstelle

Acetylcholin

Gefäßerweiterung

Kollagenase

senkt den Kollagengehalt

1. Antithrombotisch wirksame Inhaltsstoffe

Einfluss von Hirudin auf die Blutgerinnungskaskade
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Wirkung von Hirudin auf die Blutgerinnungskaskade

- Hirudin

Hirudin ist ein aus 65 Aminosäuren bestehendes Polypeptid, welches aus Blutegeln isoliert wurde. Hirudin hemmt die Blutgerinnung, sodass der Hirudo medicinalis sehr viel Blut in kurzer Zeit aus seinem Wirt saugen kann.

Der Prozess der Blutgerinnung läuft wie folgt ab: Aus Prothrombin wird unter Einwirkung des Enzyms Thrombokinase Thrombin. Anschließend entstehen aus Fibrinogen einzelne Fibrinomere, die durch Wirkung des Thrombins zu Fibrin werden. Durch Bildung neuer Peptidbindungen entsteht aus dem Fibrin zuletzt ein sogenannter Propf, welcher verantwortlich für den Verschluss der Wunde ist. Dieser Mechanismus wird dadurch gestört, das Thrombin und Hirudin zusammen einen inaktiven Komplex bilden. Somit kann Fibrin nicht gebildet werden und der letzte Schritt der Blutgerinnung nicht erfolgen. Ebenfalls zur Hemmung der Blutgerinnung kommt es wegen der Einwirkung von Hämentin. Dies führt zum Abbau von Fibrinogen und der Verhinderung der nachfolgenden Schritte. Eine weitere Auswirkung von Hirudin ist die Inaktivierung der Blutgerinnungsfaktoren V, VII und XIII. Faktor V ist das Proaccelerin, ein Element des zentralen Aktivatorkomplexes. Faktor VII ist das Prokonvertin und startet den extrinsischen Weg der Blutgerinnung, Faktor XIII ist der Lóránd-Laki-Faktor. Dies ist ein fibrinstabilisierender Faktor, der aus Fibrinomeren Fibrinpolymere herstellt. Die Faktoren V und VII sind wichtige Enzyme für das Auslösen der Antikoagulation bei der Blutgerinnung (DocCheck_Hämostase). Dies wird nun durch das Hirudin gestoppt und es kommt zu einer antithrombotischen Wirkung.

- Calin

Calin folgt in der Wirkungsweise dem Hirudin und bewirkt das bis zu 12 Stunden andauernde Nachbluten und somit die Reinigung der Wunde. Hierbei steht der Von-Willebrand-Faktor im Fokus, welcher die Aufgabe hat, die Oberfläche des Gewebes um die Bissstelle herum mit den Thrombozyten zu verbinden und so die Akkumulation zu fördern. Calin hemmt diesen Vorgang und es kommt zu keinem Wundverschluss (Baskova und Zavalova, 2001).

Bindung von Calin an den van Willebrandt Faktor
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Bindung von Calin an den Von-Willebrand-Faktor

- Faktor Xa Hemmer

Faktor Xa ist der aktivierte Stuart-Prower-Faktor. Der Faktor X verbindet den extrinsichen und intrinschen Wege der Blutgerinnung und fördert ein enzymaktivierendes System. Er wird durch Konvertin (Faktor VIIa) Thrombokinase aktiviert und so zum Faktor Xa. Der Faktor Xa stimuliert die Umwandlung von Prothrombin in Thrombin (DocCheck_Hämostase). Wenn somit also weniger Thrombin produziert werden kann, verlangsamt sich die Blutgerinnung, da ein Teil des Thrombins sich an Hirudin bindet. Durch die Mitwirkung des Thrombin bei der Produktion von Fibrin kommt es so als Folge vieler Schritte ebenfalls zu einer verzögerten Propfbildung und somit zu einer verlangsamten Blutgerinnung.

- Destabilase

Destabilase ist ein Lysozym. Lysozyme haben eine antibakterielle Wirkung und tragen so zur Funktion des Immunsystems bei. Zudem kann Destabilase auch Fibrin auflösen und trägt somit auch zur Hemmung der Blutgerinnung bei (Baskova, 2001).

Durch die aufgeführten, durchblutungsfördernden Substanzen wird die Anwendung postoperativ, für Hauttransplantationen, bei posttraumatisch auftretenden Hämatomen und generell bei Wundheilungsstörungen als sinnvoll erachtet (BBEZ).

2.Vasodilatatorisch wirksame Inhaltsstoffe

- Histamin ähnliche Substanzen

Histamin ist das biogene Amin von Histidin. Ein histaminartiger Vasodilatator sorgt dafür, dass sich die Gefäße im Bereich der Bissstelle weiten und somit die Menge des abtransportierten Blutes erhöht wird .

- Acetylcholin

Acetylcholin ist ein Neurotransmitter und ein biogenen Amin. Es wird aus Acetyl-CoA und Cholin synthetisiert mithilfe des Enzyms „Cholin-Acetyltransferase“. Es dient als Überträgersubstanz des parasympathischen Nervensystems. Acetylcholinesterase baut das Acetylcholin in Acetat und Cholin ab. Im parasympathischen Nervensystem kommen zwei Arten von Acetylcholinrezeptoren vor, der Nikotinische und der Muskarinische. Für die Wirkung in der Hirudotherapie wichtig ist Letzterer. Diese Rezeptoren kommen unter anderem in der glatten Muskulatur vor und durch Hemmung dieser wird eine Kontraktion der Muskulatur verhindert.

3. Schmerzlindernde, antiinflammatorische Inhaltsstoffe

- Eglin

Eglin hemmt lysosomale und bakterielle Verdauungsproteasen. Diese werden besonders bei entzündlichen und traumatischen Prozessen frei (siehe Tabelle).

Diesen Eigenschaften zufolge gehören entzündliche Prozesse wie solche des Bewegungsapparates (zum Beispiel Arthritis, Sehen- und Sehnenscheidenentzündungen, Bursitis, Myositis und Laminitis beim Pferd) und der Haut (Mastitis, Dermatitis und Ekzeme) in den Indikationsbereich der Blutegeltherapie. Des Weiteren können schmerzhafte Geschehen wie arthrotische Veränderungen, ein akuter oder verschleppter Discusprolaps, Spondylosen entlang der Wirbelsäule, Kissing Spines beim Pferd und Dysplasien in Ellenbogen- und Hüftgelenken behandelt werden, welches Erfahrungsberichten nach durchaus erfolgversprechend sei (Sobczak und Kantyka, 2014) (BBEZ).

Behandlung von Spat
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Spat-Behandlung

4. Antibiotisch wirksamer Inhaltsstoff

- Chloromycetin

Chloromycetin ist ein Wirkstoff, der auch unter dem Namen Chloramphenicol vorkommt. Dies ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Antibiotika und besitzt ein breites Spektrum gegen grampositive und gramnegative Erreger. Die antibiotische Wirkung des Chloramphenicols wird genutzt um das Wachstum von Bakterien zu verhindern. Daraus lässt sich schließen, das in dem Gebiet in dem der Blutegel angesetzt wird eine Infektion mit Bakterien unterbunden werden könnte. Nähere Forschungsergebnisse sind hierzu bislang jedoch noch nicht bekannt/ auffindbar.

Behandlung von Laminitis
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Laminitis-Behandlung

Hirudotherapie in der Veterinärmedizin

Die Anwendung in der Veterinärmedizin und somit die Indikationen entsprechen weitgehend denen der Humanmedizin (Sobczak und Kantyka, 2014). Dort findet sie vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Im Bezug auf die traditionelle Schulmedizin ist die Therapie heutzutage überwiegend als eine begleittherapeutische, ergänzende und teilweise sogar ersetzende Methode etabliert (BBEZ, 2011). In der Tiermedizin wird sie primär von Tierheilpraktikern, Physiotherapeuten, Osteopathen, Orthopäden und zum Schluss von Tiermedizinern angewandt. Die folgenden Eigenschaften des Speichels -antithrombotisch, antiinflammatorisch, schmerzlindernd, vasodilatierend- und die deswegen beispielhaft zu behandelnden Krankheitsbilder wurden im vorherigen Abschnitt bereits abgehandelt. Bezüglich der Prognose, dem individuellen Krankheitsverlauf ist Erfahrungsberichten zufolge allgemein in diesen Bereichen mit Verbesserungen des Patientenzustandes zu rechnen (Laux, 2017) (ATM, 2017), vorausgesetzt die Umstände des Patienten bleiben konstant. So seien auch jahrelang bestehende Problematiken durch eine einmalige oder regelmäßige Blutegelanwendung in zahlreichen Fällen schmerz- und/oder lahmfrei geworden, wohingegen eher seltener Individuen nicht auf eine Behandlung ansprechen würden, beziehungsweise bei richtiger Handhabung eine Verschlechterung des Zustandes festzustellen gewesen sei. Im Bereich der Großtiermedizin wurde das Potential der Hirudotherapie deutschlandweit einmalig mithilfe einer Studie aus dem Jahre 2010, die speziell auf die Untersuchung der Hufreheerkrankung (Laminitis) beim Pferd beruhte, getestet. Bei dieser wurden insgesamt 57 Pferde mit der Diagnose Laminitis einbezogen, wobei zwei durch ein nicht erfolgreiches Ansetzen der Blutegel wieder aus der Wertung entfernt wurden. Das Resümee der Untersuchung zeigt, dass durchaus eine erhöhte Erfolgsrate bestünde, wenn im Zuge dieser doch oft schweren Erkrankung begleitend zu herkömmlichen Methoden Blutegel in der Therapie mit einbezogen werden (Rasch, 2010). Des Weiteren finden sich in der Praxis nun zusätzlich einige Anwendungsfelder, deren Effekt zur Zeit noch nicht eindeutig belegt wurde, beziehungsweise bisher keine direkte Korrelation zu einem der bereits isolierten Wirkstoffe des Blutegelspeichels (siehe Physiologische Wirkungsweise) dahingehend bestätigt werden konnte, außer einer eventuell lokalen Schmerzlinderung. Die Rede ist unter anderem von neurologischen Erkrankungen wie dem Cauda-Equina-Syndrom, einer generellen Neuritis oder neurologisch bedingten Ataxien (BBEZ, 2011) (Sobczak und Kantyka, 2014). Eine lymphstrombeschleunigende Wirkung ließ sich soweit auch nicht fachlich belegen, wird jedoch in Therapien genutzt.

Behandlung Arthrose
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Arthrose-Behandlung

Behandlungsverfahren

Bevor der Blutegel angesetzt wird, muss die Applikationsstelle von eventueller Verschmutzung durch Salben oder Ähnliches gereinigt werden. Dabei sollte nur Wasser, beziehungsweise geruchsneutrale Lösung verwendet werden (Laux, 2017). Beim Ansetzen in sehr dichtem Fell muss gegebenenfalls rasiert und eventuell scarifiziert werden, um ein erfolgreiches Ansetzen des Blutegels „zu erzwingen“, wobei Erwärmen mithilfe einer heißen Kompresse zusätzlich als förderlich zu erachten ist. Die Behandlung sollte an einem ruhigen, vor Witterung geschützten Ort stattfinden, im Falle von Kleintieren können diese bequem liegen, falls sie es wünschen. Es gibt verschiedene Varianten, die Blutegel anzusetzen, sowohl einfach mit der Hand, in einem Tuch mithilfe einer Spritze, die umgedreht aufgesetzt oder bei der der Konus abgeschnitten wurde, gegebenenfalls auch mit Pinzette, wobei in der Praxis der Blutegel wohl schlechter bisse und drohe gequetscht zu werden (Laux, 2017). Ist das Ansetzen gelungen, kann man den Blutegel abdecken. Eine Behandlung kann eine Dauer von 30-90 Minuten betragen, teilweise kann sich dies jedoch auch über einen Zeitraum von zwei Stunden erstrecken (Laux, 2017). Dabei kann ein Blutegel pro Saugakt 5-15ml Blut aufnehmen. Dementsprechend müsse die Menge an verwendbaren Blutegeln begrenzt sein, zumal nach dem Entfernen, welches nicht gewaltsam erfolgen dürfe, individuell andauernde Nachblutungen auftreten. Einer uns vermittelten Faustregel nach sei ein Blutegel pro 10 kg Körpergewicht anzusetzen (ATM, 2017). Eine präventive Behandlung mit Antibiotika oder sogenannten Gyrasehemmern und Cephalosporinen 3. Generation könne im Einzelfall entschieden werden, um das Risiko für eine Sekundärinfektion möglichst gering zu halten. Sämtliche andere Medikamente sollen nach Möglichkeit mindestens drei Tage vorher abgesetzt werden. Nach der erfolgten Behandlung gehört der Blutegel vernichtet. Üblich seien kochendes Wasser oder hochprozentiger Alkohol (70%) oder Einfrieren bei -18°C (BBEZ, 2011). Zur Nachsorge der Blutung gilt, dass die Wunde zwar gereinigt und vor Verschmutzung geschützt sein sollte, jedoch keine Kompression ausgeübt werden dürfe, um eine übermäßige Schwellung zu vermeiden. Letztendlich habe „die Sickerblutung auch die Wirkung eines Aderlasses und damit einen gewünschten Effekt (BBEZ, 2011)“. Eine am darauffolgendenen Tag auftretende Rötung des Bereichs ist eine normale Reaktion, Anzeichen einer Entzündung oder Ähnliches sollen im Auge behalten werden (BBEZ, 2011).

Risiken der Hirudotherapie

Vor einer Behandlung sind die Kontraindikationen zu klären, weswegen eine Allgemeinuntersuchung mit Blutuntersuchung anzuraten sei. Definitiv abgeraten wird bei einer festgestellten Hämophilie, Anämie, allgemeiner Immunschwäche, Organerkrankungen wie erosiver Gastritis, akuten von Fieber begleiteten Infektionskrankheiten, bei bereits stattfindender immunsuppressiver Therapie und vielem mehr. Bei Trächtigkeit solle eine Anwendung ebenfalls überdacht werden, da die Wirkungen nicht abzusehen seien. Der zusätzliche Einfluss von bereits im Organismus zirkulierenden Medikamenten sei außerdem nicht zu vernachlässigen. Wie erwähnt, müssten sie vorher abgesetzt werden oder gegebenenfalls, falls der Patient dauerhaft unter Einfluss von Präparaten mit blutverdünnender Wirkung ( Heparin, ASS, Marcumar/Syncumar usw.), steht, ist dieser von der Therapie auszuschließen. In drastischen Fällen, falls es dennoch im Einzelfall zu massivem Blutverlust kommen sollte, müsse über eine Bluttransfusion nachgedacht und dementsprechend aufgeklärt werden. Allergische Reaktionen, die noch relativ häufig auftreten, können in selteneren Fällen auch in einen anaphylaktischen Schock ausarten (BBEZ, 2011). Eine Infektion durch die im Darm des Egels befindlichen Bakterien ist im besonderen Maße zu kontrollieren, woraus sich die eventuelle Verabreichung der Antibiotika ergibt. Der häufigste Erreger ist dabei Aeromas veronii, ein gramnegatives Bakterium, welches symbiotisch im Darm des Blutegels lebt und zur Verdauung der Nahrung beiträgt (Sobczak und Kantyka, 2014), weswegen es auch nicht aus den Zuchtegeln entfernt werden kann. Das Risiko der Infektion erhöht sich außerdem nur in den Fällen, in denen der Blutegel während der Behandlung seinen Darminhalt erbricht, was fast ausschließlich geschieht, sobald man versucht das Ablösen gewaltsam zu erzwingen, sprich Stress induziert.

Haltungsweise

Hirudo medicinalis gelten als Fertigarzneimittel, werden in speziellen Farmen gezüchtet und Privatpersonen durch Apotheken zur Verfügung gestellt. Geliefert werden sie in Petrischalen und mit für 2-3 Wochen nutzbaren Plastikbehältern. Gehalten werden sie an ruhigen kühlen Orten, am besten in Keramik- oder Glasbehältern. Mehrere Egel können sich ein Behältnis teilen, die Menge an Wasser, 100ml pro Egel ist jedoch zu beachten. Die Umgebungstemperatur sollte 4-13°C betragen, das Wasser muss ungechlort sein. Da die Tiere in Metall-Ionen-haltigen Leitungswasser nachweislich versterben, sollte im Zweifelsfall stilles Mineralwasser verwendet werden (BBEZ, 2011). Genügend Luft muss im Behältnis ebenfalls vorhanden sein, wobei aus Erfahrung die Handhabung „ein Drittel des Behältnis mit Wasser gefüllt, dann täglich einmal das Gefäß lüften und ansonsten regelmäßig das Wasser wechseln" (Laux, 2017) zu einer erfolgreichen Aufbewahrung des Blutegels ausreichen.

Aufbewahrung von Blutegeln
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Aufbewahrung von Blutegeln

Literaturverzeichnis

Fachartikel

Sonstiges

Internetquellen

Bilderverzeichnis

Hirudotherapie_de (last edited 2017-05-02 21:02:17 by 3754D)